Einleitend möchte ich Emil Schumacher (Maler, 1912-1999) zitieren:

 

„Ich gehe das Bild unmittelbar an, dabei kommt es jedes Mal zu einer Begegnung des Materials mit mir, wobei ich ihm oft den Willen lasse, denn ich habe erfahren, dass es weiser ist als alle Berechnungen.

Handwerk, Technik und Erregung sind eins. Die Farben reißen Formen an sich, die Zeichen verlangen Farben. Indem ich mich mitreißen lasse, gewinne ich mein Bild.“

 


Ich gehe meine Bilder ähnlich an. Durch Auftrag und Abtrag vieler lasierender Farbschichten, durch Materialcollagen und das Arbeiten mit Sanden erzählt mir das entstehende Bild den Weg. Ich binde mich nicht an Gegebenheiten, meine Bilder entstehen im Tun. Inspirationen suche ich mir in der Natur. Die Zersetzung, der Verfall, die Zerstörung und die Veränderlichkeiten versuche ich in meinen Materialbildern zu gestalten, festzuhalten.

 

Die Natur ist mein perfektes Vorbild.

 

Durch das zehnjährige Leben, Arbeiten und Segeln auf unserem Schoner bin ich verwachsen und immer wieder beeindruckt von dem Meer. Die Weite des Horizontes, der Gezeitenspiegel, das Wellenspiel und vor allem der Farbenwechsel des Himmels und des Meeres spiegeln sich vielfach in meinen Bildern wieder.

 

Immer seltener gebe ich meinen Bildern Titel. Der Betrachter soll die Möglichkeit haben, unvoreingenommen seine persönliche Verbindung zu dem Bild herzustellen.

 


 

Kurz-Vita

1956 in Bremerhaven geboren
 

Studium der Sozialwissenschaften in Bremen

1981 Heirat
 

Traditionelle Segelschiffe restauriert, darauf gelebt und gesegelt

1987 - 2000 in Portugal an der Algarve gelebt
2000 Umzug nach Deutschland
2005 freischaffende Künstlerin/Malerei
2006 Gründung des Ateliers N°17 in Schiffdorf, in dem wechselnden Ausstellungen, Kunstkurse und offene Ateliers angeboten wurden
  Studienreisen nach Afrika, Brasilien, Skandinavien und ins Baltikum
2015 - 2019 Vorsitzende der BIK-Galerie 149 in Bremerhaven
2019 Gründung des KUNST-WERKS/ WERK-KUNST in Bremerhaven, in dem ich regelmäßig Kunstkurse und Workshops anbiete


Über Bärbel Ricklefs-Bahr :

 

Malerin aus Leidenschaft

(Text: Elke Grapenthien, M.A.-Kunsthistorikerin )

 

 

Emotionen, Spontaneität und Großzügigkeit

 

Bärbel Ricklefs-Bahr ist eine Malerin, die viel in ihren Bildern wagt. Sie plant nicht im Voraus, sondern setzt auf ihre Spontaneität.

 

Die Künstlerin braucht ein gewisses Maß an Freiheit, Großzügigkeit und Unbeschränktheit, um ihrer Vorstellung von Kunst gerecht zu werden. Sie will mit Farben formen, Gegensätze zum harmonischen Einklang führen.

Ohne Zwang oder Druck folgt sie dem eigenen inneren Antrieb und geht ihren Inspirationen nach. Sie arbeitet informell, lässt sich nicht von Regeln oder Stilen einengen. Ihre Kunst entsteht aus dem Malprozess heraus.

 

Dabei kann es durchaus sein, dass sich in einem Werk, das abstrakt begonnen wurde, schließlich doch Gegenständliches abzeichnet und zum Thema wird. Es liegt ihr fern, den Betrachter einzuengen. Sie will Emotionen auslösen, Gefühle erwecken durch das den Werken zugrunde liegende Kolorit, durch die dort zu entdeckenden Formen und die spannende und abwechslungsreiche Oberflächengestaltung. Der Betrachter darf und wird seinen eigenen Zugang zu allem finden, wenn er sich auf ihre Bilder einlässt.

 

 

Reine Malerei

 

Sich in ihre Arbeit zu vertiefen ist für Bärbel Ricklefs-Bahr wie Meditation. Bisweilen trägt sie nur Farben auf die Leinwand auf. Sie beschränkt sich darauf, eine fast ebene Komposition zu kreieren, die Spannung und zugleich Harmonie ausstrahlt. Schon die Grundierung fällt immer anders aus - je nach den Gefühlen, die die Künstlerin gerade bewegen - mal eher hell, mal dunkel. Außer Acryl- verwendet sie Airbrushfarben und streut zusätzlich Farbpigmente über die Fläche, die sich optisch und plastisch wie kleine Punkte aus dieser herausheben.

 

Besondere Akzente setzt Ricklefs-Bahr mit chinesischer Tusche. Sie greift aber auch zu Stiften wie Graphit oder Kohle und zeichnet mit Kreiden, um zartere und stumpfere Linien oder Flächen gegen Glänzendes und Glattes zu setzen. Schon in solchen auf wenige Materialien begrenzten Mischtechniken konkurriert vieles miteinander; für fast jede haptische und optische Qualität gibt es ein Pendant, ein Gegengewicht - und doch ergibt dieses Vielerlei eine harmonische Ordnung.

Die ausgewogene Vielfalt verdeutlicht, dass die Künstlerin sich lange von ihrer Spontaneität leiten lässt, bei der Vollendung ihrer Werke jedoch auf ihre Erfahrung und ihr fundiertes Wissen um die Wirkung bestimmter Mittel und Methoden vertraut. Auf das spontane Agieren folgt das durchdachte Reagieren.

 

Experiment und Suche

 

Ricklefs-Bahr schätzt das Experimentieren, den Mal- und Aufbauakt, den Prozess der allmählichen Entwicklung eines Bildes. Neben dem Schwelgen in Farben auf großen Formaten liebt sie den freien Einsatz von Werkzeug und Materialien, die Malerei lebendig machen, vielschichtig erscheinen und in die dritte Dimension übergehen lassen.

In der Wahl der Mittel gibt es kaum Grenzen für sie. Sie findet immer wieder etwas Neues, was sich für die Verwirklichung und Umsetzung ihrer Ideen eignet.

 

Überall ist sie auf der Suche und wird fündig. Das ist es auch, was sie in ihrer Malerei vorantreibt – sie fühlt sich als Suchende, die sich längst noch nicht alles angeeignet hat, was sich einer Malerin bietet.

 

Häufig nutzt sie gleich nach der Grundierung ihre Materialsammlung, um Strukturen und Muster, Erhebungen und Vertiefungen auf dem Malgrund zu erwirken. Nach und nach entsteht so eine Schicht neben und über der anderen oder es wird punktuell, linear oder flächig wieder Farbe abgetragen.

 

Mit dem Spachtel bringt die Künstlerin z.B. Gips, Beton oder eine ähnliche Füllmasse auf und kratzt Überflüssiges wieder ab. Während sich daraus eher eine glatte Hügellandschaft ergibt, verwendet sie ebenso gerne Bimssteinmörtel, Marmormehl, streut Sand oder Asche mit ein - also Materialien, die eine stumpfere, rauere oder körnigere Oberfläche erzeugen.

Noch grober mischen sich Steine und Schlacketeilchen darunter und zeichnen sich deutlich in der oberen Schicht ab. Eisen und Rost kommen wegen ihrer verschiedenen Verfärbungen zum Einsatz. Die Moorlauge hat es der Künstlerin besonders angetan, weil sie sehr sanfte und je nach Verdünnung fast transparente Brauntöne ermöglicht.

 

Baumärkte sind ergiebige Fundorte für sie, liefern Harze, Bitumen und Schellack - flüssigere Substanzen, die sich fast von allein über den Untergrund verteilen und wenn sie fest werden, glatt erscheinen und glänzen. Außerdem eignen sich diese wie Holzleim und Acrylbinder als Klebstoffe und sichern so das von Ricklefs-Bahr eingefügte Collage-Material.

Alles, was sich auf die Leinwand aufbringen lässt und dazu beiträgt, ihre Oberfläche zu verändern, d.h. zu formen, in den Raum auszudehnen oder aber interessanter zu machen, reizt die Künstlerin.

 

So drückt sie die Kante des Spachtels mehrfach in die noch feuchte Füllmasse, so dass Linien und Muster entstehen. Manche in Farbe getunkte Materie, wie z.B. Noppenfolie, hinterlässt nach Abdruck wundervolle Muster auf der Leinwand. Gerissene oder geschnittene Wellpappstücke, Prägetapeten, Lochmuster- oder faserige Papiere, auch Stofffetzen und Fäden werden in die Malerei integriert und danach wieder deckend oder lasierend überstrichen. Fragmente aus verworfenen Werken bekommen neue Geltung durch ihre Mitwirkung in plastischen Bildern. Zwischendurch arbeitet die Künstlerin mit Spritztechnik, bringt mit der Zahnbürste an einer Stelle Farbe auf und löst an anderer Stelle durch Fette, Öle, Spiritus, Wasser oder Spülmittel einen Teil des bereits Hergestellten wieder an. Jedes Mittel sorgt für einen Effekt. Mal tropft Farbe herunter, mal wird eine Fläche porös und brüchig. Ein Bereich nach dem anderen erhält seine eigene Note. Aus der anfangs flachen Malfläche wird allmählich ein Relief, dessen Details in ihrer Reichhaltigkeit kaum auf einen Blick zu erfassen sind.

 

 

Abstraktion und Wahrnehmung

 

Kein Werk gleicht am Ende dem anderen. Schon die Palette variiert beträchtlich. Betrachtet man die Werke der Künstlerin nacheinander, so wechseln sich Bilder verhaltener Farbigkeit ab mit Werken von leuchtendem Kolorit oder in Pastelltönen. Es gibt zudem Kompositionen, in denen Gegensätze wie das Verhaltene und das fast Aufdringliche vereint sind.

 

Da gesellen sich zu leuchtenden Farben wie Rot und Gelb auch ein Weiß und ein Schwarz in unterschiedlicher Gewichtung. Je nach Platzierung und Ausdehnung verstärken oder begrenzen sie die Strahlkraft der Primärtöne. Mal neigt die Malerin zu warmen Farben, mal zu eher kühlen Blau-Grün-Tönen und mal bevorzugt sie Erdfarben.

 

Die Formen variieren ebenfalls. Bis auf kleinere geometrische Figuren - Kreise und Rechtecke, die sich z.T. als eingefügte Collagen entpuppen, - und wie Füllsel wirkende Buchstaben oder Zahlen handelt es sich bei den dominanten Bildelementen um völlig frei aus der Farbe heraus entwickelte abstrakte Gebilde von unterschiedlicher Größe, die die Leinwand beleben. Oft heben sie sich plastisch von einem weißen Hintergrund ab. Auf Umrisslinien verzichtet die Künstlerin bei ihren Abstraktionen. Sie bevorzugt weiche Ränder, die bisweilen leicht ausfransen. Einige der Farbformen gehen in andere über, verbünden sich und gewinnen dadurch an Substanz und Geltung.

 

 

Allein aufgrund der unterschiedlichen Farbwerte und -charaktere ergeben sich eine erstaunliche Tiefe und Räumlichkeit, ein Vor- und Hintereinander der Formen. Kompakte Körper und filigrane Linien stehen sich im Raum gegenüber und überlagern sich.

 

Trotz der Abstraktionen meint man doch hier und da auf Gegenständliches zu stoßen: Gesichter, Körperteile, Abbruchkanten einer Landschaft oder eine tiefe Schlucht. Unsere Erfahrungen und Erinnerungen lassen sich nicht einfach ausblenden. Der Verstand schaltet sich beim Betrachten von Bildern mit ein, beeinflusst die Wahrnehmung. So sucht unser Auge auch in informeller Kunst unwillkürlich etwas, was wir kennen - und wird in den reich ausgestatteten Materialbildern von Bärbel Ricklefs-Bahr schnell fündig.

 

Die auffällig strukturierten und erhabenen Oberflächen ihrer Werke erinnern an die aus vielen Schichten bestehende Erde mit ihren Vertiefungen und Anhöhen. Sie wirken, als seien sie schon alt und von der Zeit geformt. Spuren von Verletzungen, Narben und Verwitterung zeichnen sich auf diesen ab. Man entdeckt Einschlüsse von Steinen und Metallen sowie Abdrücke, die auf Leben hinzuweisen scheinen. Neben raueren und stumpferen Flächen sieht man auch glänzende oder schillernde – als entdecke man Spiegelungen auf Gewässern oder das Aufleuchten von Kristallen auf verschneiten Feldern im Sonnenlicht.

 

Die Materialbilder von Bärbel Ricklefs-Bahr laden uns ein, in ihnen auf Entdeckungsreise zu gehen – auf eine lohnenswerte und kurzweilige Reise, die unsere Gefühle anspricht und viel Abwechslung bietet.